Simone de Beauvoir oder Ein Photo wie ein Zahnarztbesuch
Henri Cartier-Bresson (1908 - 2004) lernte bei Jean Renoir Film, bereiste Afrika, Mexiko, Indien, China, die Sowjetunion mit seiner Leica-Kamera. Traf Gandhi, Fidel Castro und den Dalai Lama. Geriet in Kriegsgefangenschaft, photographierte für die und als französische Résistance. Und war Mitbegründer der Agentur Magnum.
Berühmte Photographien von Roland Barthes, Albert Camus, Jean-Paul Sartre oder Simone de Beauvoir stammen aus seiner Kamera. Doch in der Geringschätzung des Ruhmes dafür war er einem Sartre, der 1964 beispielsweise den Literaturnobelpreis ablehnte, überaus ähnlich. "Wenn ein Bildhauer im Mittelalter ein Werk schuf, hatte es für ihn den gleichen Wert, ob es nun am Portal einer Kathedrale aufgestellt wurde oder in den Türmen, wo es niemand zu Gesicht bekam außer Gott."
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Diese Worte von Cartier-Bresson stammen aus der 2020 im Schirmer Mosel Verlag erschienen Sammlung bisher schwer zugänglicher Interviews, mit dem Titel "Henri Cartier-Bresson. Man redet immer zu viel. Gespräche über das Leben, die Kunst und die Photographie. 1951-1998". Sie enthält sehr persönliche Einblicke in das Denken und Fühlen dieser photographischen Ikone.
Zwei erstaunliche, philosophische Stränge lassen sich von ihm ausgehend belichten. Zum einen fand er für sein eigenes Werk im Zen Buddhismus tiefgreifende Inspiration. Initiierend dafür mag das Buch "Zen in der Kunst des Bogenschießens" von Eugene Herrigel gewesen sein, das ihm der französische Maler Georges Braques Mitte der sechziger Jahre schenkte.
Ähnlich lichte Spuren mögen seine Treffen in den 1950er Jahren mit den üblichen Verdächtigen unter den
Simone de Beauvoir, Paris, 1947 © Henri Cartier-Bresson
französischen Existenzialisten gefurcht haben. Darunter Madame de Beauvoir! Die Legende geht so: als Cartier-Bresson Madame de Beauvoir vor ihrer Wohnung im vierzehnten Pariser Arrondissement für die vereinbarten Portrait Aufnahmen traf, fragte sie ihn, wie lange es denn dauern würde. Er gab zur Antwort, "länger als beim Zahnarzt, aber kürzer als eine Psychotherapie".
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