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Was Platon sah, als er mit seiner Kamera an den Fluss ging

Wie das Gleichnis von Platons Höhle mit unseren Sehgewohnheiten jongliert


Diejenigen, die unter Strapazen die Höhle hinter sich lassen, sehen dort oben noch nicht in HD und Farbe. Jemandem, der lange Jahre seines Lebens in der Höhle zugebracht haben mag, schmerzen die Augen in der Helligkeit der Sonne. Gewöhnung ist nötig, um außerhalb der Höhle überhaupt etwas zu erkennen, so Platon. Und nachdem er erst nur Schatten ausmachen würde, bekommt er es zunächst mit Reflexionen der Menschen und Dinge auf dem Wasser zu tun. Bevor er Menschen und Dinge 'an sich' erkennen könnte.


Was haben diese verschiedenen Abstufungen der Erkenntnis - erst Schatten, dann Spiegelungen im Wasser, dann das 'Wahre' - mit unseren Sehgewohnheiten zu tun? Und, für die Photographie von besonderer Bedeutung, was hat es auf sich mit dem Licht als Bedingung für so eine Hierarchie des Sehens?


Fällt Licht für eine bestimmte Zeit auf den Sensor oder analogen Film in der Kamera, entsteht ein Bild. Man hält eine Reflexion der 'Wirklichkeit' fest. Was, wenn das Bild, das man festhält, gar kein Abbild der Wirklichkeit ist, sondern ein Abbild des Abbilds? Lässt sich photographisch damit spielen, um die Uneinholbarkeit des 'Wahren' zu zeigen? Ist das 'Wahre' tatsächlich uneinholbar?


'Platon am Fluss', Regensburg, 2021 © Dr. Christine Lehr


Mit derlei Gedanken mag Platon vor ungefähr 2400 Jahren mit seiner Kamera am Fluss gestanden sein. Besonderes Augenmerk legte er vermutlich auf das 'Wahre' und das Licht. Dass der von ihm erdachte Zusammenhang dieser beiden so gewichtigen philosophischen Begriffe uns noch Jahrtausende später umtreiben würde, hätte ihn das schmunzeln gemacht, oder die Hände falten lassen?


In jedem Fall hinterliess er uns Ideen, für deren Schau es mehr als eine Kamera braucht. Vielleicht eine persönliche Involviertheit, die Mut und Unnachgiebigkeit verlangt. Denn die Sonne gilt Platon als angenommen höchste Idee, die Idee des Guten. So, wie das Licht der Sonne Dinge erkennbar werden lässt, ermöglicht die Idee des Guten erst so etwas wie das 'Wahre', Tugenden, Erkenntnis und so weiter.


Die Photographie einer Waage zum Beispiel würde in gewisser Weise teilhaben an einer Idee von Gerechtigkeit. Sie wäre eine mögliche Darstellung von Gerechtigkeit. Können wir nur immer Versionen einer Idee zum Ausdruck bringen? Kommt das Element der Courage ins Spiel, sobald man an die Idee des Wahren und nicht zuletzt des Guten rührt?


Fortsetzung folgt.

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