Gedanken zur 2023 wieder aufgenommenen Photo-Serie 'Advaita' von 2009
Während das Thema 'Advaita' damals philosophisch stark abstrakt angegangen wurde, ist den gegenwärtigen Arbeiten eine persönliche Erfahrungsgrundlage anzusehen. Bald fünfzehn Jahre liegen zwischen den 2009 in einer Einzelausstellung gezeigten Photographien und dem gegenwärtigen Ringen um photographischen Ausdruck nicht alltäglicher Erfahrungen.
Advaita ist ein Sanskrit Begriff aus der indischen Philosophie, und meint Nicht-Zweiheit. Gemeint ist eine wesensmäßige Identität von individueller und allumfassender Seele. Diesen mystischen Konnex "persönlich" zu erfahren, wird in dieser Tradition Moksha genannt. Was gleichbedeutend ist mit der Befreiung aus dem Samsara, dem Rad des Schicksals.
![no self](https://static.wixstatic.com/media/a7146e_fe2c4cf43f1c421e835f9faf544f616b~mv2.jpg/v1/fill/w_980,h_610,al_c,q_85,usm_0.66_1.00_0.01,enc_avif,quality_auto/a7146e_fe2c4cf43f1c421e835f9faf544f616b~mv2.jpg)
'no self no. 1', 2023 © CL
Die persönliche Erfahrung dieser Identität allerdings ist nicht möglich. Denn an dieser Stelle greift ein Paradox, das Ernst Tugendhat, enger Schüler übrigens Martin Heideggers, in seinem Buch 'Egozentrizität und Mystik' von 2004 anthropologisch und sinngemäß so fasst - die Erfahrung einer Einheit von individueller und göttlicher Seele geht einher mit der Substituierung des menschlichen Selbst mit dieser Allheit.
Salopp formuliert, sieht man das Göttliche, ist keiner mehr da, der es sieht. Diese Eigentümlichkeit besonders der mystischen Erfahrung innerhalb der Advaita Tradition macht es beinahe unmöglich, derlei Erlebnisse sprachlich zu kommunizieren. Sie jedoch photographisch zum Ausdruck zu bringen ist das Wagnis der Wiederaufnahme der 'Advaita' Serie 2023.
Im 1947 erschienenen Brief über den Humanismus formuliert Heidegger von der Sprache, sie sei das Haus des Seins. Wir Menschen hätten darin unsere Behausung. In dieser Hinsicht ist eine Fortsetzung der 'Advaita' Serie nicht nur ein Wagnis in ein Jenseits der Sprache, sondern auch eine sehr persönliche Antwort auf die Frage, ob man als Mensch vielleicht noch ein anderes Zuhause als die Sprache in diesem Sein finden kann.
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