Ist Achtsamkeit mehr als aufmerksam zu sein? Was genau ist Mindful Photography?
Was hat Achtsamkeit mit Photographie zu tun? Bilder mit Hilfe einer Kamera entstehen zu lassen, ist das nicht per se ein achtsamer Prozess? Bei dem es um Konzentration, Aufmerksamkeit, gerichteten Fokus und eine gewisse Stille im Vorfeld geht? Ein intentionaler Vorgang, in dem eine Idee gefasst, Technik justiert, ein Bild komponiert, und der Auslöser gedrückt wird?
Photographie ist sicherlich all das. Doch will man diesen kreativen Vorgang mit Achtsamkeit versehen und damit um eine tiefgreifende Dimension bereichern, geht es um weit mehr. Achtsamkeit in ihrem ursprünglich buddhistischen Kontext übersteigt die umgangssprachlich verstandene Aufmerksamkeit, die man einer Sache möglichst konstant widmet.
Achtsamkeit ist die buddhistische Antwort auf die existenzielle Frage, wie ein sinnhaftes Leben gelingen kann. Und ist im Urkontext eine dreifache Anleitung zur Meditation. Im Satipatthana Sutta, der Lehrrede zur Achtsamkeit aus dem Jahr 20 v. Chr., leitet der Buddha Mönche dazu an, drei Aspekte zu reflektieren - den Körper samt seiner Sinneseindrücke, Gefühle in ihrer Vergänglichkeit, und den Geist hinsichtlich seiner Regungen.
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'Von den Vielen', Regensburg, 2021 © Dr. Christine Lehr
Es kommt sogar noch eine wesentliche Reflexion dazu, die im populären Achtsamkeitsdiskurs völlig außer Acht gelassen wird. Aus gutem Grund, denn diese Überlegungen berühren eines der gewichtigsten, gesellschaftlichen Tabus - den Tod. Was haben Vergänglichkeit, Tod, Bewusstsein mit Photographie zu tun? Sie sind entscheidend für den Blick des Menschen hinter der Kamera.
Mindful Photography bedeutet demnach zweierlei - einerseits eine photographische Praxis, die achtsame Techniken in den Prozess der Bilderstellung integriert. Diese konkreten, achtsamen Handlungsanleitungen, die auch in klinisch bewährten MBSR-Kursen (mindfulness based stress reduction) Anwendung finden, dienen der Veränderung von Perspektive, der Erneuerung von Kreativität, und der Begegnung mit sich selbst in der Gegenwart.
Andererseits und grundlegend auch für andere Lebensbereiche als den des kreativen Ausdrucks, ist die Idee hinter Mindful Photography gleichzeitig etwas weiter gefasst. Ausgehend von der Ansicht, dass der Mensch hinter (nicht etwa die Technik oder der Wert) der Kamera maßgebend für das photographische Ergebnis ist, werden Aspekte buddhistischer Philosophie vermittelt, die ein anregendes, neues Verständnis eigener, kreativer Dynamiken wecken.
Worin diese achtsamen, photographischen Techniken bestehen, wie sich buddhistische Philosophie für die Photographie fruchtbar machen lässt, schliesslich wie und warum Buddha seine Brennweite unter dem Bodhi-Baum wechselte, kann am besten in einem Mindful Photography Workshop erfahren und erlebt werden.
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