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Mindful Photography: Selbstlosigkeit als kreativer Wandel

Von der Auflösung egozentrischer Fixpunkte in der Filmästhetik eines Terrence Malick und deren Inspiration für die Photographie


Unsere Erde, der unbewegliche Mittelpunkt des Kosmos - viele Menschen verorten sich in ihrem Leben auf ähnlich erdige Weise. In der europäischen Ideengeschichte zumindest begann man Anfang des 16. Jahrhunderts zwar erst widerwillig, doch schliesslich erkämpfterweise diese Auffassung zugunsten eines heliozentrischen Weltbildes aufzugeben.


Dass die Erde nicht mehr im Zentrum allen Seins stehen sollte, hat vielen nicht gefallen, Sigmund Freud nannte das sogar eine kosmologische Kränkung für den Menschen. Und setzte noch eine weitere oben drauf, schliesslich sei der neuzeitliche Mensch auch in sich selbst nicht Herr im eigenen Haus. Mit der Rede vom Es, Ich, Über-Ich, und deren unbewussten Anteilen unterstellte er uns auch eine psychologische.


'Selbst', Regensburg, 2021 © Dr. Christine Lehr


Der buddhistisch inspirierten Kreativität geht es nun nicht um Erlangung der Herrschaft im eigenen Haus, eher um die Suspendierung des Herrschers bzw. dieses angenommenen Selbst. Und sehr anschaulich wird das beispielsweise an der Filmästhetik von Terrence Malick. 'Tree of Life' von 2011 kontrastiert einerseits den profanen, menschlichen Alltag mit kosmologischen Naturaufnahmen, und unterstreicht anderseits diesen Zusammenhang mit einer Kameraführung der Absichtslosigkeit.


Interessanterweise übersetzte Malick 1969 Heideggers 'Vom Wesen des Grundes'. Ist als Regisseur entsprechend vertraut mit metaphysischen Fragestellungen, was durch jede seiner filmischen Perspektiven hindurch schimmert. Absichtslosigkeit impliziert in jedem Fall die Fragwürdigkeit eines Selbst, das eine bestimmte Intention hegen mag. Wenn die Kamera in psychologisch drängendsten Situationen an den Protagonisten vorbeizieht, oder auf das Schattenspiel eines Vorhangs gerichtet bleibt, während eine Familie zerbricht.


Für die eigene Photographie lässt sich die Idee von Selbstlosigkeit als Absichtslosigkeit versuchen. Ein Weitwinkelobjektiv mag dafür besser geeignet sein als eines mit größerer Brennweite. Das heisst, je mehr ein Bildausschnitt fasst, desto unbestimmter, absichtsloser seine darin arrangierten Elemente. Der eingeübte, photographische Blick wird nicht nur in seiner intentionalen Erweiterung ausgedehnt, mit dieser Übung kann eine Hierarchie der Bildobjekte in Frage gezogen werden. Letztlich das eigene Selbst.

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