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Mindful Photography: Die eigene Photographie entschleunigen

Wie man mit einer kleinen Veränderung seine Zeit mit der Kamera in eine meditative Auszeit verwandeln kann


Im Zeitalter digitaler Kameras haben die meisten Modelle mittlerweile einen kleinen Vorschau-Bildschirm auf ihrer Rückseite. Viele Photographen nutzen ihn für den gesamten Entstehungsprozess eines Bildes. Das heisst, besonders bei spiegellosen Kameras, bevor der Auslöser gedrückt wird, kann die Belichtung eingestellt, der Fokus justiert, nicht zuletzt die Bildkomposition gestaltet werden.


Fantastisch, denn bei älteren Spiegelreflexkameras beispielsweise ließ sich noch nicht in Echtzeit nachvollziehen, wie sich zum Beispiel die Blendenwahl auf das Histogramm bzw. das später fertige Bild auswirken würde. Dank neuer Kameratechnik sieht man die Vorschau seines Bildes. Und wird der Auslöser dann gedrückt, zeigt der kleine Bildschirm ebenfalls für einige Sekunden das neu entstandene Photo an.


'Conscious', Regensburg, 2009 © Dr. Christine Lehr


Einen photographisch großen Nachteil bedeutet das allerdings. Manche Photographen sieht man häufig an Wegrändern, sich ausgiebig mit ihrem Bildschirm beschäftigen. Nicht nur für einen kurzen Blick, auch nicht, um Einstellungen für ein nächstes Bild vorzunehmen, sondern minutenlang wird die Reihe der Photos gesichtet, die man bereits gemacht hat. Auffällig und unwiederbringlich daran ist, dass man auf diese Weise den Augenblick versäumt.


Mit einer kleinen, aber effektiven Veränderung im Umgang mit der Kamera nähert man sich wieder dem gegenwärtigen Augenblick. Es ist der Verzicht auf die Sichtung seiner Photos während man mit der Kamera noch unterwegs ist. Man gibt der Versuchung, seine Errungenschaften bereits jetzt zu sichten, nicht nach. Sondern trainiert seine Geduld durch die Beschränkung auf den Sucher, bzw. nutzt den Bildschirm ausschließlich für die Zeit, bevor der Auslöser gedrückt wird.


Vorteile davon sind eine erheblich entspanntere, sogar meditative Zeit mit der Kamera, ein weit geöffneter Blick auf die Geschehnisse und Dinge, die vor einem liegen, ein anderes Verhältnis zur eigenen Kamera. Die Kamera hält einen nicht mehr auf, indem verfrüht und unnötig die Aufmerksamkeit auf den eigentlich nächsten Schritt gerichtet wird. Sie wird zum Werkzeug, Eindrücke aus dem Augenblick zu filtern, sie in Poesie zu verwandeln.

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