Wie die Vorstellung vom Tod die eigene Photographie um eine Haltung kreativer Gemütsruhe bereichern kann
Die buddhistische Philosophie um Achtsamkeit und die griechisch-römische antike Stoa teilen einen ganz besonderen Gedanken. Die Vorstellung vom Tod und seiner Wirkung auf die Lebenden. Was hat der Tod mit kreativer Gemütsruhe zu tun, möchte man fragen.
Für Buddhisten der meisten Traditionen liegt in einer für den westlichen Menschen eher ungewöhnlichen Auseinandersetzung mit dem Tod eine große Kraft. Im wichtigsten Text über Achtsamkeit, dem Satipatthana-Sutta aus ca. dem Jahr 20 v. Chr., findet sich eine geistige Übung, um Achtsamkeit und damit Gelassenheit zu kultivieren - neben anderem die Vorstellung des körperlichen Zustandes nach Eintreten des Todes, eines fremden und des eigenen Körpers.
Für Stoiker wie den römischen Kaiser und Philosophen Mark Aurel folgt ungefähr 170 Jahre später aus der Reflexion auf den eigenen Tod ein unbedingter Appell. An die ungemütliche Idee, dass das eigene Leben jetzt enden könnte, knüpft er die Aufforderung, 'dem entsprechend' zu handeln, zu sprechen und zu denken. Memento mori, sei dir der Sterblichkeit bewusst.
Bergman no. 2, Regensburg, 2009 © Dr. Christine Lehr
Wie den meisten Buddhisten schien auch dem Philosophen Mark Aurel augenscheinlich zu sein, dass in der Meditation und im Nachdenken über den Tod die Möglichkeit eines neuen Blicks auf das Leben liegt. Ob sich mit dem anfänglichen Nachdenken über den Tod direkt eine kreative Gemütsruhe einstellt, ist für die meisten von uns sicher fraglich.
Es gibt allerdings drei Weisen, wie die Vorstellung von Vergänglichkeit und Tod die eigene Photographie bereichern kann. Erstens, was sehe ich in der Welt, wenn ich mich mit dem Tod gedanklich beschäftige? Vielleicht liegt im Vergehen und sogar Sterben eine ästhetische Tiefe, die die Schönheit des wachen frischen Lebens erst zu dem macht, was sie ist. Die Natur im Herbst beispielsweise, oder die Nuancen von Vergänglichkeit des Lichts am Tag, oder Gesichter, die altern.
Zweitens, wie verändere ich mich im Umgang mit der Kamera, wenn ich den Gedanken an den Tod versuche zu integrieren? Wähle ich mit dem Tod im Sinn ein anderes Medium, zum Beispiel einen körnigen, analogen schwarz-weiß Film, um derlei Gesichter zu portraitieren? Und drittens, wie verändert sich meine Zeit mit der Kamera? Kann ich sie nutzen, etwas zum Ausdruck zu bringen, etwas Zeitloses? Wird sie mir kostbarer in ihrer Vergänglichkeit?
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