Albert Camus' Hochzeit des Lichts oder: Sterben und Leben in gleißendem Licht
Philosophische Texte wirken auf manch einen eher trocken. Denn es geht um Theorie, ihre Ideen, und vielleicht sogar noch um ein Ringen mit Konzepten anderer Denker. Spannung, Lese- oder gar Abenteuerlust erzeugt das gemeinhin nicht. Nicht so die Texte Camus', einem Meister der Verbindung von Literatur und Philosophie. Mit einem seiner biographisch inspirierten Texte aus dem Jahr 1938 kommt man in einen besonderen Genuss - 'Hochzeit des Lichts'.
Die algerische Küste und die Toskana sind die Schauplätze, an denen für Camus die eleusinischen Götter wohnen. Allen vier kurzen Prosastücken ist sein Bedauern jenen Menschen gegenüber zu entnehmen, die Mythen bräuchten. „Wir gehen der Liebe und der Lust entgegen. Wir suchen weder Belehrung noch die bittere Weisheit der Größe.“ Iris Radisch, die 2013 eine vorzügliche Biographie über Camus verfasste, skizziert Camus in diesen Jahren als Dandy, der nicht mehr im Fleischerhaushalt seiner Eltern lebte, sondern in Anzug und Fliege durch Frauenbetten vagabundierte.
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Albert Camus vor dem Büro seines Verlags, Paris, 1955 © LIFE Archives
Ein Hoch auf die Fleischeslust französischer Existenzialisten also, die nackt und erschöpft auf gleißende Strände sinken, das Salz von ihren Lippen lecken. Doch diese lyrischen Stücke sind mehr als das. Camus verfasst ein „Evangelium aus Stein, Himmel und Wasser (das) verkündet, dass nichts aufersteht. (…) Der einzig wahre Fortschritt der Kultur, den von Zeit zu Zeit ein Mensch für sich verwirklicht, besteht darin: bewusst zu sterben.“ Sterben hat für Camus etwas mit Wirklichkeit zu tun, besonders an jenen Orten, an denen alles auffordert zu leben, denn dort bebe alles zurück vor dem Sterben.
Menschen, Ruinen, flüchtige aber intensive Begegnungen im Zenit des Lichts konstituieren den Archetyp, der sich durch Camus' gesamtes Werk zieht. Dieser ist unnachgiebig, denn er wirft keinen Schatten, in dem Kühlung oder gar mythischer Trost gesucht werden könnten. Er schlägt den Menschen in seine vergehende Körperlichkeit. Und kein Mythos vermag diese Geworfenheit zu besänftigen. Im Gegenteil, viel Wissen führe die Menschen ohnehin wieder zu Gott zurück.
Ein existenzialistisches Loblied auf die Gegenwart, in der einzig so etwas wie Wahrheit zu finden ist. Wohl wissend, dass einen dieses Licht verzehrt. „Denn Mythen bedeuten für die Religion dasselbe, was die Poesie für die Wahrheit bedeutet: Es sind lächerliche Masken, hinter denen die Leidenschaft, leben zu wollen sich versteckt.“ Letztlich sättige sich die von der Schönheit überwältigte Intelligenz am Nichts.
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